Leipzig Gewandhausorchester, Leipzig

Gewandhausorchester

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Das Gewandhausorchester (früher selbst als Gewandhausorchester Leipzig bezeichnet) ist ein Sinfonieorchester mit Sitz in Leipzig. Es gehört international zu den führenden Orchestern und gilt mit derzeit etwa 185 Berufsmusikern als weltweit größtes Berufsorchester. Zugleich ist es das älteste bürgerliche Konzertorchester im deutschsprachigen Raum. Das Orchester spielt als Konzertorchester im Gewandhaus, als Opernorchester in der Oper Leipzig sowie seit 1840 als Kirchenmusikorchester in den Leipziger Stadtkirchen, insbesondere der Thomaskirche. Die Chefdirigenten des Gewandhausorchesters tragen traditionell den Titel „Gewandhauskapellmeister“.

Geschichte

Die historischen Wurzeln des Gewandhausorchesters reichen bis ins Jahr 1479 zurück, als der Rat der Stadt Leipzig für die musikalische Begleitung städtischer Feste, später auch für Gottesdienste und Theateraufführungen Kunstpfeifer (später Stadtpfeifer) anstellte. 1743 finanzierten 16 Leipziger Kaufleute 16 Musiker, denen u. a. Stadtpfeifer angehörten, zur Gründung einer musikalischen Gesellschaft, dem Leipziger Concert, deren erstes Konzert am 11. März 1743 stattfand. Daher gilt das Gewandhausorchester als das älteste dem Bürgertum entwachsene, also nicht-höfische Konzertorchester im deutschsprachigen Raum. Zunächst fanden die Konzerte in Bürgerhäusern, später wegen des großen Zuspruchs im Gasthof Zu den drey Schwanen am Brühl 84 (später Nr. 7) statt. Der Name Großes Concert wurde geläufig, so sind heute noch die Leipziger Konzerte des Gewandhausorchesters benannt. Auf Initiative des amtierenden Bürgermeisters wurde 1780–1781 der Dachboden des Gewandhaus Leipzig, des Messehauses für Tuchwarenhändler (heute steht dort das Städtische Kaufhaus) in einen repräsentativen Konzertsaal umgebaut. Im November fand das erste Gewandhauskonzert statt. 1782 wurde dieser Saal nochmals umgebaut. An der Stirnseite des Saales war der Spruch des jüngeren Seneca Res severa est verum gaudium zu lesen (Wahre Freude ist eine ernste Sache), der zum Leitspruch des Gewandhausorchesters wurde. Das Orchester hatte nun seine erste feste Spielstätte. Im 32 Mann starken Orchester spielten auch beim Theater engagierte Musiker, was die Bezeichnung Gewandhaus- und Theaterorchester etablierte. Einige der Orchestermitglieder wurden zusätzlich zu den Stadtpfeifern für die Kirchenmusik verpflichtet. 1840 wurde das Orchester als Stadtorchester anerkannt und war von da an auch für die Kirchenmusik verantwortlich. Seit dieser Zeit fungiert das Gewandhausorchester als Leipziger Opernorchester, als Konzertorchester und als kirchenmusikalisches Orchester u. a. zur Begleitung des Thomanerchores.

Leipzigs Ruf als Musikstadt beruht zu einem wesentlichen Teil auf dem Wirken des Gewandhausorchesters. Viele bedeutende musikalische Werke fanden durch das Orchester ihre Uraufführung, hervorragende nationale und internationale Solisten traten im Alten Gewandhaus auf, so Wolfgang Amadeus Mozart, Robert Schumann, Clara Schumann, Carl Maria von Weber, Niccolò Paganini, Franz Liszt, Hector Berlioz, Frédéric Chopin, Gewandhauskapellmeister Felix Mendelssohn Bartholdy, Richard Wagner und Johannes Brahms.

1868 wurde das Neue Theater am Augustusplatz eingeweiht, nachdem das alte Komödienhaus zu klein geworden war. Damit konnten reicher ausgestattete Opern aufgeführt werden. Nachdem auch die Erweiterungen des Gewandhauses aufgrund des Besucherandranges und des gewachsenen Orchesters nicht ausreichten, wurde das Neue Concerthaus (auch Neues Gewandhaus genannt) zwischen Beethoven- und Mozartstraße errichtet, in welches das Gewandhausorchester 1884 umzog. In der Umgebung des Neuen Gewandhauses entstand in der Folgezeit ein neues Stadtviertel, das sogenannte Musikviertel. Das Neue Gewandhaus, das neben dem großen Saal auch einen Kammermusiksaal besaß, wurde durch seine vorzügliche Akustik weltberühmt. Dies führte dazu, dass eine bis heute erhaltene (vergrößerte) Kopie des Gebäudes als Konzerthaus in Boston errichtet wurde. Im Leipziger Konzerthaus dirigierten u. a. Johannes Brahms, Peter Tschaikowski, Edvard Grieg, Richard Strauss und Anton Bruckner. Beim großen Luftangriff 1943 wurde das Neue Concerthaus durch Bomben getroffen und brannte aus. Die von den Orchesterwarten fürsorglich in die Keller verbrachten orchestereigenen Musikinstrumente blieben erhalten. Die äußerlich intakte und mit einem Notdach gesicherte Ruine wurde im März 1968 abgerissen.[1] Auch das Neue Theater wurde bei den Bombenangriffen zerstört.

Nach 1945 bis 1984 gastierte das Gewandhausorchester zunächst in einem Varieté, dann in einem Filmtheater und ab 1947 in der Kongreßhalle an der Pfaffendorfer Straße. 1960 wurde das Neue Opernhaus Leipzig am Karl-Marx-Platz eingeweiht. 1977 begann auf der gegenüberliegenden Seite des Platzes der Bau eines Neuen Gewandhauses. 1981 wurde das von Rudolf Skoda (mit Eberhard Göschel, Volker Sieg und Winfried Sziegoleit) entworfene Konzerthaus eingeweiht, in welchem das Gewandhausorchester seitdem seinen Sitz hat. Der Neubau einer dem Orchester angemessenen, eigenen Spielstätte geht insbesondere auf das starke Engagement des damaligen Gewandhauskapellmeisters Kurt Masur zurück, der bei der DDR-Führung die einzige Neuerrichtung eines reinen Konzerthauses in der DDR durchsetzte.

Anlässlich des 225-jährigen Jubiläums des Gewandhausorchesters entwarf der Grafiker Hellmuth Tschörtner 1967 ein Festsignet. Dieser geschwungene Schriftzug, das sogenannte Tschörtnersche Signet wurde in den Folgejahren in verschiedenen Versionen als Logo für Gewandhausorchester und Gewandhaus verwendet.[2] Mit Beginn der Saison 2015/2016 am 28. August 2015 wurde das Corporate Design des Gewandhauses neu gestaltet, dabei wurde das Tschörtnersche Signet von der Hamburger Agentur Karl Anders modernisiert.[3][4]

Das Gewandhausorchester ist bis heute zu den renommiertesten Klangkörpern der Welt zu zählen. Seinen Ruf erwarb es sich durch die herausragende musikalische Qualität, die durch namhafte Kapellmeister geprägt wurde, und auch durch zahlreiche Gastspiele und Tourneen weltweit, vor allem in Japan und Nordamerika.

Das Gewandhausorchester hat gegenwärtig drei regelmäßige Spielstätten in Leipzig. Im Gewandhaus gibt es jährlich 48 Sinfoniekonzerte, 12 Kammermusikabende und 20 Sonderkonzerte. In der Leipziger Oper tritt es als Orchester des Opernhauses auf. In der Thomaskirche fungiert es als Begleiter der Auftritte des Thomanerchores.

Ensembles

Mitglieder des Orchesters spielen in ebenfalls sehr traditionsreichen Kammermusikensembles,

dem Gewandhaus-Quartett (gegründet 1808),
dem Gewandhaus-Bläserquintett (gegründet 1896),[5]
dem Gewandhaus Brass Quintett (gegründet 2005),[6]
oder dem 1993 erstmals und im Jahr 2011 wieder neu formiertem Gewandhaus-Oktett,[7]
sowie weiteren Ensembles.[8]

Die Chefdirigenten des Gewandhausorchesters tragen traditionell den Titel des Gewandhauskapellmeisters. Die Liste aller Gewandhauskapellmeister findet sich in der Navigationsleiste am Ende des Artikels. Von 2005 bis 2016 hatte Riccardo Chailly diese Position inne. Am 1. Februar 2018 übernahm Andris Nelsons das Amt des Gewandhauskapellmeisters.[9][10]

Im Jahresbericht 2012 des Sächsischen Rechnungshofes werden die wachsenden Kosten kritisiert.[11]

Klangcharakteristik

Der Klang des Gewandhausorchesters zeichnet sich durch einen dunklen, romantisch geprägten Streicherklang aus. Gefördert und weitergegeben wird dieses Klangideal durch die Lehrtätigkeit von Mitgliedern des Gewandhausorchesters an der Hochschule für Musik und Theater „Felix Mendelssohn Bartholdy“ Leipzig seit der Mitte des 19. Jahrhunderts. Besonders geprägt und konserviert wurde der sogenannte „Gewandhausklang“ unter Kurt Masur. Gemischt ist dieser Klang mit dem deutschen Blech, speziell in den Posaunen, sowie insbesondere den deutschen Klarinetten. Eine weitere Rarität ist das Musizieren in Deutscher Aufstellung.

Uraufführungen (Auswahl)

  • Ludwig van Beethoven, Tripelkonzert (1808)
  • Clara Schumann, Klavierkonzert a-Moll op. 7 (1835)
  • Franz Schubert, Große Sinfonie in C-Dur (1839)
  • Felix Mendelssohn Bartholdy, 3. Sinfonie (Schottische) (1842)
  • Robert Schumanns Sinfonie Nr. 1 „Frühlingssinfonie“ (1841)
  • Johannes Brahms, Ein deutsches Requiem (1869)
  • Johannes Brahms, Violinkonzert D-Dur (1879)
  • Anton Bruckner, Sinfonie Nr. 7 (1884) und
  • Richard Wagners Meistersinger-Vorspiel (1862)
  • Siegfried Thiele, Gesänge an die Sonne (1981)
  • Alfred Schnittke, Sinfonie Nr. 3 (1981)
  • Gija Kantscheli, Lichte Trauer (1986)
  • Hans Werner Henze, Seconda Sonata per Archi (1996)

Gewandhauskapellmeister

  1. 1781–1785: Johann Adam Hiller
  2. 1785–1810: Johann Gottfried Schicht
  3. 1810–1827: Johann Philipp Christian Schulz
  4. 1827–1835: August Pohlenz
  5. 1835–1847: Felix Mendelssohn Bartholdy
  6. 1841/1842, 1852–1854: Ferdinand David
  7. 1843/1844: Ferdinand von Hiller
  8. 1844–1848: Niels Wilhelm Gade
  9. 1848–1860: Julius Rietz
  10. 1860–1895: Carl Reinecke
  11. 1895–1922: Arthur Nikisch
  12. 1922–1928: Wilhelm Furtwängler
  13. 1929–1933: Bruno Walter
  14. 1934–1945: Hermann Abendroth
  15. 1946–1948: Herbert Albert
  16. 1949–1962: Franz Konwitschny
  17. 1964–1968: Václav Neumann
  18. 1970–1996: Kurt Masur
  19. 1998–2005: Herbert Blomstedt
  20. 2005–2016: Riccardo Chailly
  21. seit 2018: Andris Nelsons[12]

Ehrendirigenten

  • Kurt Masur (1996–2015)
  • Herbert Blomstedt (seit 2005)

Auszeichnungen

  • 2018 – Opus Klassik in der Kategorie Orchester des Jahres für das Album Bruckner: Symphony No. 3 – Wagner: Tannhäuser Overture[13]

Literatur

  • Hans-Rainer Jung, Claudius Böhm: Das Gewandhaus-Orchester. Seine Mitglieder und seine Geschichte seit 1743. Faber und Faber, Leipzig 2006, ISBN 3-936618-86-0.
  • Claudius Böhm: Das Leipziger Stadt- und Gewandhausorchester. Dokumente einer 250jährigen Geschichte. Verlag Kunst und Touristik, Leipzig 1993, ISBN 3-928802-27-5.
  • Fritz Hennenberg: Das Leipziger Gewandhausorchester. Insel, Frankfurt/Leipzig 1992, ISBN 3-458-16258-5.
  • Johannes Forner: Die Gewandhauskonzerte zu Leipzig 1781–1981. Mit einem zusammenfassenden Rückblick von den Anfängen bis 1781. Deutscher Verlag für Musik, Leipzig 1983.

Weblinks

 Commons: Gewandhausorchester Leipzig – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. leipzig-sachsen.de
  2. „Marke“ – Hellmuth Tschörtner und sein Signet. In: Gewandhaus-Magazin, Nr. 17, Winter 1997/98
  3. Das neue Design. Pressemitteilung vom 26. März 2015, Stadt Leipzig, Referat Kommunikation (PDF; 309 KB), abgerufen am 11. September 2015.
  4. Neues Erscheinungsbild für das Gewandhausorchester. Designtagebuch, 20. Mai 2015, abgerufen am 11. September 2015.
  5. Gewandhaus-Bläserquintett
  6. Gewandhaus Brass Quintett
  7. Gewandhaus-Oktett
  8. Andere Ensembles
  9. Andris Nelsons soll 21. Gewandhauskapellmeister werden. (Memento vom 28. September 2015 im Internet Archive) Pressemitteilung vom 9. September 2015, Stadt Leipzig, Referat Kommunikation (PDF; 567 KB).
  10. Stadt Leipzig, Ratsversammlung am 19. November 2015: Vorlage VI-DS-01862-NF-01. Wahl von Andris Nelsons zum 01.02.2018 zum Gewandhauskapellmeister der Stadt Leipzig.
  11. Jahresbericht 2012 des Sächsischen Rechnungshofs, Band I: Staatsverwaltung (PDF; 373 kB)
  12. Andris Nelsons auf gewandhausorchester.de
  13. opusklassik.de
Diese Seite wurde zuletzt geändert am 31.10.2018 09:05:24

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