McCoy Tyner

McCoy Tyner - © John Abbott

geboren am 11.12.1938 in Philadelphia, PA, USA

gestorben am 6.3.2020 in New Jersey, USA

McCoy Tyner

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Alfred McCoy Tyner (* 11. Dezember 1938 in Philadelphia, Pennsylvania) ist ein amerikanischer Jazzpianist und Komponist.

Leben und Wirken

Auf Drängen seiner Mutter begann er im Alter von 13 Jahren mit dem Klavierspiel. In Philadelphia traf er sich regelmäßig mit seinen Freunden Mickey Roker und Lee Morgan zu Jam-Sessions in den jeweiligen Wohnungen. Seit seinem 15. Lebensjahr trat Tyner mit Jazzgruppen auf. Frühe Einflüsse waren die Brüder Bud und Richie Powell, die in der Nachbarschaft lebten. Um diese Zeit gehörte er für kurze Zeit dem sunnitischen Glauben an, während dieser Zeit nannte er sich Sulaimon Saud, arbeitete aber später immer unter seinem echten Namen. In Philadelphia traf er auch erstmals auf John Coltrane, mit dem er im dortigen Club Red Rooster auftrat.

Ab 1959 spielte er für sechs Monate im Jazztet von Art Farmer und Benny Golson, bevor er sich 1960 John Coltrane anschloss, mit dem er im selben Jahr Coltrane Plays the Blues einspielte. 1962 entstand das klassische John Coltrane Quartet mit Coltrane, Jimmy Garrison und Elvin Jones, in dem er bis 1965 eine tragende Rolle spielte. Während dieser Zeit wirkte Tyner an Alben wie A Love Supreme (1964, Impulse!), und Crescent (1964, Impulse!) mit, außerdem als Sideman bei Joe Hendersons Debütalbum Page One im Juni 1963. Nach Ansicht von Ian Carr war das John Coltrane Quartet das wohl einflussreichste Quartett in der Jazzgeschichte und Tyner spielte dabei eine wesentliche Rolle.[1]

Daneben hat Tyner auch mit Saxophonist Wayne Shorter für Blue Note Records gespielt, wie bei dem Album Night Dreamer 1964, und ab 1962 Schallplatten unter eigenem Namen auf dem Label Impulse! veröffentlicht, an denen Elvin Jones, Art Davis und Jimmy Garrison mitwirkten. Ab 1966 trat Tyner als Solist oder mit einem eigenen Trio beziehungsweise Quartett in den Vereinigten Staaten, Europa und Japan auf. Während dieser Zeit arbeitete Tyner auch mit Ike and Tina Turner, Jimmy Witherspoon und anderen Künstlern. 1967 erschien sein epochales Album The Real McCoy auf dem Blue Note Records Label, mit Joe Henderson, Ron Carter und wiederum Elvin Jones.[2] Mit größerer Besetzung (u. a. mit Lee Morgan und Joe Chambers) nahm Tyner das Album Tender Moments (1967) auf, dessen ersten Titel Mode to John er dem soeben verstorbenen John Coltrane widmete.[3]

Anfang der 1970er Jahre wechselte Tyner zu Orrin Keepnews’ Label Milestone, für das er Alben wie Sahara (1972), das Soloalbum Echoes of a Friend (1972), Enlightenment (1973, mit Azar Lawrence) und Fly With The Wind (1976) einspielte. Im Jahr 1978 spielte er bei den Milestone Jazz Stars (unter anderem mit Sonny Rollins, Ron Carter und Al Foster). 1988 entstand die Bigband-Produktion Uptown/Downtown, u. a. mit Kamau Muata Adilifu, Howard Johnson, Robin Eubanks und Steve Turré. 1989 kehrte Tyner zum Blue Note-Label zurück und nahm das Ellington-Album Things Ain’t That What They Used to Be (teilweise Duos mit George Adams und John Scofield) sowie das Duo-Album Manhattan Moods (1993) mit Bobby Hutcherson auf. Nach zwei Alben für Impulse! wechselte Tyner 1998 zum Telarc-Label. Zu seinen seltenen Auftritten als Sideman in den 1980er und 1990er Jahre gehört die Mitwirkung an dem David Murray Album Special Quartet, entstanden 1990.

Seine Musik

Neben den Powell-Brüdern war Tyner früh von Thelonious Monk und Art Tatum beeinflusst, entwickelte aber schon während seiner Zeit im Coltrane-Quartett seine ganz eigene und stilbildende Identität. Coltrane lobte Tyners eigenständiges Klavierspiel:[4] „Seine größte Gabe ist sein melodischer Einfallsreichtum, (…) die Klarheit seiner Ideen. Auch hat er einen ganz persönlichen Sound auf dem Piano - einen Sound, der wegen der Clusters, die er gebraucht, und der Art und Weise, in der er sie individualisiert, besonders klar und hell ist (…) Außerdem hat McCoy einen ungewöhnlichen Formsinn (…) Er spielt niemals konventionelle Klischees. Und schließlich: McCoy hat Geschmack. Er kann nehmen, was er will, und etwas Wunderbares daraus machen.“[5] Nach dem Coltrane-Biographen Bill Cole gelang es Tyner schon früh, „eine Synthese von Garland, Monk und Wynton Kelly“ zu formen; „er hat eine starke linke Hand, und er zeigt schon früh seine ausgeprägte Fähigkeit, mit äußerst imaginativen Harmonien zu begleiten.“[6] Sein Kollege Richie Beirach betont das stilbildende Element des Stride Piano der Tatum-Schule: „McCoy nahm das Stride-Piano als eines seiner stilistischen Hauptelemente – mit den Quinten im Bass und den Akkorden in der Mitte der Klaviatur. So etwas nenne ich Innovation, wenn man etwas aus der Vergangenheit nimmt und dem Vokabular der Gegenwart einverleibt.“[7]

Martin Kunzler analysierte die Neuerungen Tyners: „Er befreite die Harmonik von ihrer tonikalen Formbindung. Der Funktionsharmonik setzte er ein neues, modal (…) begründetes harmonisches Konzept entgegen. Der Pianist schuf mit dieser Transformation linearer Tonorganisation in die Vertikale und ihrer Ausweitung beträchtliche improvisatorische Freiräume für sich und die Solisten.“ McCoy Tyner reflektierte seine Rolle im Coltrane-Quartett: „Die Gruppe funktionierte in erster Linie als geschlossene Einheit. Wenn ich meine Funktion darin einmal herauslösen und analysieren sollte, kann ich eigentlich nur sagen, es war die eines Orchesters. Mit anderen Worten: Ich hatte dem Quartett die Klangfülle zu geben. Oder, wie John zu sagen pflegte: die Dichte und Volltönigkeit. Nun kann ja ein Klavier tatsächlich wie ein Orchester behandelt werden und genau das versuche ich auch und gab dem Quartett einen Sound, der immer voller, dichter, umfassender wurde.“[8]

Nach Ian Carr hat Tyner immer kompositorisch gespielt, mit einem vorausschauenden Blick für die Musik und einem unbeirrbaren Instinkt für den Moment, wann er improvisieren kann und wann er mit der Rhythmusgruppe zu spielen hat, um den Solisten zu unterstützen. Er zählt ihn zu den am dynamischsten spielenden Pianisten; dabei spiele Tyner nie „frei“, sondern ziehe es vor, tonal und kontrolliert zu spielen. Im Gespräch mit Joachim-Ernst Berendt äußerte Tyner, alle Musik sei „eine Reise der Seele in neues, unerforschtes Gebiet. (…) Ich versuche dabei, die Musik aus vielen verschiedenen Ländern zu hören, aus Afrika, Indien, aus der arabischen Welt, europäische klassische Musik… alle Arten von Musik sind untereinander verbunden.“[9] Zum Charakteristikum seines machtvollen Spiels hat Tyner erklärt: „Du musst eins werden mit dem Instrument. Du fängst an, ein Instrument zu lernen, aber zuerst ist das Piano nichts weiter als ein Objekt. Doch dann werden du und dein Instrument eins.“[10] McCoy Tyner beeinflusste mit seinem charakteristischen Sound viele nachfolgende Pianisten wie Hal Galper, John Hicks, Henry Butler, Joanne Brackeen und den deutschen Joachim Kühn.

Tyner ist auch der Komponist einiger bekannter Titel wie Passion Dance, Contemplation, Blues on the Corner, Land of the Lonely, Celestial Chant, Enlightenment Suite und Desert Cry.

Ehrungen

Das mit McCoy Tyner Big Band aufgenommene Journey gewann 1995 einen Grammy Award in der Kategorie „Best Large Jazz Ensemble Performance“. Tyner’s Album Infinity (mit Michael Brecker) wurde 1996 mit einem Grammy in der Kategorie „Best Jazz Instrumental Performance“ ausgezeichnet. 2002 erhielt er das Jazz Masters Fellowship der staatlichen NEA-Stiftung.

Familie

Sein Bruder ist der kommunistische Politiker und frühere Kandidat für das Vizepräsidentenamt der Vereinigten Staaten Jarvis Tyner.

Eigene Veröffentlichungen (Auswahl)

  • Inception (1962, Impulse!)
  • Reaching Fourth (1962, Impulse!) mit Roy Haynes und Henry Grimes
  • Nights Of Ballads & Blues (1963, Impulse!)
  • Today and tomorrow (1963, Impulse!)
  • Live at Newport (1964, Impulse!)
  • McCoy Tyner plays Ellington (1964, Impulse!)
  • The Real McCoy (1967, Blue Note) mit Joe Henderson
  • Tender Moments (1967, Blue Note)
  • Time for Tyner (1968, Blue Note)
  • Expansions (1968, Blue Note) mit Pianoversionen von Coltrane-Kompositionen
  • Extensions (1970, Blue Note)
  • Asante (1970, Blue Note)
  • Sahara (1972, Milestone) mit u. a. Alphonse Mouzon und Sonny Fortune
  • Song For My Lady (1972, Milestone)
  • Echoes of a Friend (1972, Milestone)
  • Enlightenment (1973, Milestone)
  • Song of the New World (1973, Milestone)
  • Sama Layuca (1974, Milestone) mit u. a. Bobby Hutcherson und Gary Bartz
  • Atlantis (1974, Milestone)
  • Trident (1975, Milestone)
  • Fly With The Wind (1976, Milestone)
  • Focal Point (1976, Milestone)
  • Cosmos (1976, Blue Note)
  • Supertrios (1977, Milestone) in zwei Trios mit Ron Carter (b) / Tony Williams (d) bzw. Eddie Gomez (b) / Jack DeJohnette (d)
  • Inner Voices (1977, Milestone)
  • The Greeting (1978, Milestone)
  • Horizon (1979, Milestone)
  • Together (1979, Milestone)
  • Just Feelin' (1985, Palo Alto)
  • Double Trios (1986, Denon)
  • Uptown/Downtown (1988, Milestone)
  • New York Reunion (1990) mit Joe Henderson, Ron Carter und Al Foster
  • Remembering John (1991, Enja)
  • Journey (1993, Birdology) mit Big Band
  • Infinity (1995, Impulse)
  • Autumn Mood (1997, Delta)
  • What The World Needs Now (The Music Of Burt Bacharach) (1997, Impulse!)
  • McCoy Tyner and the Latin All Stars (1999, TelArc)
  • With Stanley Clarke And Al Foster (2000, Telarc)
  • Land of Giants (2003, Telarc) mit Bobby Hutcherson
  • McCoy Tyner Quartet (2007) mit Joe Lovano, Christian McBride und Jeff „Tain“ Watts
  • Guitars (2008, Half Note) mit Marc Ribot, John Scofield, Béla Fleck, Derek Trucks und Bill Frisell

Literatur

  • Joachim-Ernst Berendt, Günther Huesmann: Das Jazzbuch. Fischer TB, Frankfurt 1994.
  • Ian Carr, Digby Fairweather, Brian Priestley: Rough Guide Jazz. Der ultimative Führer zum Jazz. 1800 Bands und Künstler von den Anfängen bis heute. 2., erweiterte und aktualisierte Auflage. Metzler, Stuttgart/Weimar 2004, ISBN 3-476-01892-X.
  • Richard Cook, Brian Morton: The Penguin Guide to Jazz on CD. 6. Auflage. Penguin, London 2002, ISBN 0-14-051521-6.
  • Martin Kunzler: Jazzlexikon. Reinbek, Rowohlt, 1988

Weblinks

 Commons: McCoy Tyner – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. vgl. Carr, S. 653.
  2. Ian Carr bezeichnet im „Jazz Rough Guide“ The Real MCoy als eines der perfektesten Alben der späten 1960er Jahre. Cook und Morton zählen es zu McCoy Tyners besten Werken und zeichneten es mit der Höchstnote aus.
  3. Leonard Feather: Tender Moments (Original Liner Notes zum Album)
  4. vgl. Carr, S. 654. Er zitiert Coltrane: “He gets a very personal sound from this instrument and because of the clusters he uses and the way he voies them, that sound is brighter than what would normally be expected from most of the chord patterns he plays.In addition, McCoy has an exceptionally well developed sense of form both als a soloist and an accompanist. Invariably in our group, he will take a tune and built his own structure for it.”
  5. zit. nach Kunzler, S. 1205.
  6. zit. nach Kunzler, S. 1206.
  7. zit. nach Kunzler, S. 1206.
  8. zit. nach Kunzler, S. 1206.
  9. Berendt/Huesmann, S. 376.
  10. zit. nach Berendt/Huesmann, S. 376.
Diese Seite wurde zuletzt geändert am 24.03.2019 18:17:46

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