Mstislav Rostropovitch

Mstislav Rostropovitch

geboren am 27.3.1927 in Baku, Aserbaidschan

gestorben am 27.4.2007 in Moskau, Zentralrussland, Russische Föderation

Mstislaw Leopoldowitsch Rostropowitsch

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Mstislaw Leopoldowitsch Rostropowitsch (russisch Мстислав Леопольдович Ростропович, wiss. Transliteration Mstislav Leopol'dovič Rostropovič; * 27. März 1927 in Baku; † 27. April 2007 in Moskau) war ein russischer Cellist, Dirigent, Pianist, Komponist und Humanist. Er gilt als einer der bedeutendsten Cellisten der Geschichte.

Leben

Herkunft, Ausbildung, Familie

Rostropowitschs Eltern waren der Cellist und Pablo-Casals-Schüler Leopold Witoldowitsch Rostropowitsch (1892–1942) und die Pianistin Sofja Nikolajewna Fedotowa, die einer bekannten Musikerfamilie Orenburgs entstammte. Kurz nach ihrer Hochzeit 1922 zogen sie von dort nach Baku, wo fünf Jahre später ihr Sohn Mstislaw, genannt Slawa, zur Welt kam.[1][2]

Mit vier Jahren spielte der Junge Klavier, mit acht Jahren begann er, Cello zu lernen. Der Vater bestand darauf, dass er zunächst dieses Streichinstrument erlernte, obwohl es Mstislaws Kindheitstraum war, Dirigent zu werden.[3] Vor seinem Studium besuchte er die Gnessin-Musikschule in Moskau. Als sein Vater 1942 starb, erfüllte sich Rostropowitsch seinen Traum: Mit 16 Jahren ging er 1943 ans Moskauer Konservatorium, wo er neben Klavier und Violoncello auch Dirigieren und Komposition als Fächer belegte. Zu seinen Lehrern zählten Schostakowitsch und Prokofjew. Im Jahr 1948 beendete er dort sein Studium.

Im Jahr 1955 heiratete Rostropowitsch die Sopranistin Galina Wischnewskaja. Er begleitete sie als Pianist auf Liederabenden und nahm eine CD mit russischen Liedern mit ihr auf. Das Ehepaar hatte zwei Töchter.

Musiker und Menschenrechtler

Rostropowitsch wurde zunächst als Cellist bekannt. Seine internationale Karriere und sein Weltruhm begannen 1964 mit einem Konzert in Deutschland. Ab 1970 trat er auch als Dirigent auf. Neben seinem musikalischen Interesse war er immer auch politisch sehr engagiert und nutzte seine Prominenz, um sich für Dissidenten einzusetzen. So nahm er den Literaturnobelpreisträger Alexander Solschenizyn, der beim sowjetischen Regime in Ungnade gefallen war, in sein Haus auf und verteidigte dies in einem offenen Brief an die Zeitungen Iswestija, Prawda und Literaturnaja Gazeta. Daher durfte er ab 1971 nicht mehr ausreisen und erhielt fast nur noch Engagements in der Provinz. Nach schweren Konflikten mit der Regierung verließen er und seine Familie 1974 die Sowjetunion, die ihnen zwei Jahre später die Staatsbürgerschaft entzog. 1977 wurde Rostropowitsch Chefdirigent des National Symphony Orchestra in Washington DC und blieb dies bis 1994. Er gab aber auch weiterhin zahlreiche Konzerte als Cellist. Nach seiner Zeit in Washington wurde Paris sein offizieller Wohnsitz.

Rostropowitsch setzte sich, nicht nur in seinem eigenen Land, für Demokratie und Menschenrechte ein. Er gab zahlreiche Konzerte, um Dissidenten und Bürgerrechtler aus Osteuropa zu unterstützen. Einen Tag nach dem Fall der Mauer reiste er nach Berlin und spielte am 11. November 1989 am Checkpoint Charlie Cello für die wiedervereinigten Berliner. Im Jahr darauf rehabilitierte Michail Gorbatschow, der damalige Präsident der Sowjetunion, ihn und seine Frau und bot ihnen an, erneut Sowjetbürger zu werden. Dazu äußerte sich Rostropowitsch später: „Als mir Gorbatschow 1990 das Angebot machte, einen sowjetischen Pass zu beantragen, schrieben ihm Galina und ich einen Dankesbrief und lehnten ab“. Die letzten dreißig Jahre seines Lebens besaßen beide gar keine Staatsangehörigkeit. Während des Putschversuchs in Moskau im August 1991 reiste Rostropowitsch spontan in die Hauptstadt, um die Demokratie zu verteidigen.

Bedeutung als Musiker

Rostropowitsch gilt als einer der bedeutendsten Cellisten der Geschichte. Besonders nachdrücklich setzte er sich für die Musik zeitgenössischer Komponisten ein. Er war an den Uraufführungen zahlreicher Werke beteiligt – als Cellist an mehr als 100, als Dirigent an etwa 65. Zu den Komponisten, die für ihn Stücke komponierten, zählen Nikolai Mjaskowski, Sergei Prokofjew, Aram Chatschaturjan, Dmitri Kabalewski, Dmitri Schostakowitsch, Witold Lutosławski, Benjamin Britten, Henri Dutilleux, Arno Babadschanjan, Leonard Bernstein, Pierre Boulez, Alfred Schnittke sowie Sofia Gubaidulina. Sein Instrument war das Stradivari-Cello „Duport“ aus dem Jahr 1711. Zu seinen bekanntesten Schülern zählen unter anderem Mischa Maisky, David Geringas, Chang Han-na und Natalia Gutman.

Rostropowitsch war auch an neuen instrumentaltechnischen Entwicklungen des Violoncellos interessiert. So begleitete er mit seinem Rat in den Jahren 1997 bis 2001 die Entwicklung des BACH.Bogen[4] und lud den Cellisten Michael Bach 2001 zur Präsentation dieses Rundbogens anlässlich des 7ème Concours de violoncelle Rostropovitch nach Paris ein.[5]

Bis ins hohe Alter dirigierte Rostropowitsch Konzerte, etwa 80 pro Jahr. Noch 2006 hatte er Konzertauftritte rund um den Globus, so unter anderem in München, Paris, Washington und natürlich Moskau. In Wien trat Rostropowitsch am 20. Mai 2005 zum letzten Mal öffentlich als Cellist auf. Anlass war die Uraufführung eines von Krzysztof Penderecki für ihn komponierten Cellokonzerts. In einem Interview verriet er im April 2006, dass er seit diesem 20. Mai seinen Cellokasten nicht mehr geöffnet habe. Im selben Interview darauf angesprochen, wie sein Verhältnis zum russischen Präsidenten Wladimir Putin sei, antwortete Rostropowitsch, dass er Putin möge, weil dieser wisse, wie man mit Russland umgehen müsse.[3]

Einige Wochen vor Rostropowitschs Tod verlieh ihm Putin persönlich den „Orden für die Verdienste um das Vaterland“ erster Klasse, die höchste russische Auszeichnung. Am 27. April 2007 verstarb der Musiker im Alter von 80 Jahren. Wladimir Putin würdigte ihn mit den Worten: „Das ist ein enormer Verlust für die russische Kultur“. Der Trauergottesdienst fand am 29. April 2007 in der Christ-Erlöser-Kathedrale in Moskau statt.[6] Mstislaw Rostropowitsch wurde nach russisch-orthodoxem Ritus auf dem Friedhof des Neujungfrauenklosters beerdigt.

Die Trauer um ihn bestimmte auch das Cellofestival 2007 in Kronberg im Taunus. Rostropowitsch hatte die dortige Kronberg Academy mit geprägt und ihr seine Stiftung zur Förderung junger Künstler angeschlossen. In seinem Todesjahr widmete ihm das Festival u. a. eine Ausstellung. Am 3. Oktober wurde im Park von Kronberg eine Büste Rostropowitschs enthüllt.

Diskografie (Auswahl)

Als Cellist

Als Dirigent

Als Dirigent und Cellist

Als Pianist

Auszeichnungen (Auswahl)

  • 1951 Stalinpreis
  • 1961 Leninpreis
  • 1966 Volkskünstler der UdSSR
  • 1971, 1978, 1981, 1984, 2004: Grammy-Awards
  • 1976: Ernst von Siemens Musikpreis
  • 1981: Léonie-Sonning-Musikpreis
  • 1989: Die selten verliehene „Goldene Medaille für Kunst und Wissenschaft“ vom Hausorden von Oranien
  • 1992: Four Freedoms Award, in der Kategorie Meinungsfreiheit
  • 1992: Kennedy-Preis
  • 1993: Medaille „Verteidiger der Freiheit Russlands“
  • 1993: Praemium Imperiale, Japan
  • 1995: Staatspreis der Russischen Föderation
  • 1995: Polar Music Prize
  • 1997: Prinz-von-Asturien-Preis
  • 2002: Ehrenmitgliedschaft der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien
  • 2003: Komtur mit Stern des Verdienstordens der Republik Ungarn
  • 2004: Sonderpreis der Deutschen-Phonoakademie
  • 2007: Verdienstorden für das Vaterland I. Klasse (Russland)
  • 2007: Mozart-Goldmedaille der UNESCO

Ehrungen

  • 2000: Ehrenbürger von Vilnius
  • 2006: Ehrenbürger von Florenz[7]

Mitgliedschaften

  • Auswärtiges Mitglied der Académie des Beaux-Arts (1987)
  • Ehrenmitglied Club of Budapest
  • Ehrenmitglied bei der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien
  • Mitglied der Accademia Nazionale di Santa Cecilia in Rom
  • Mitglied der Royal Academy of Music
  • Mitglied der Königlichen Akademie Schweden
  • Mitglied der Bayerischen Akademie der Schönen Künste
  • Mitglied der American Academy of Arts and Sciences (1972)
  • ca. 50 Ehrendoktorwürden

Literatur

Autobiografie

  • Mstislaw & Galina Rostropowitsch: Die Musik und unser Leben. Aufgezeichnet von Claude Samuel. Aus dem Französischen von Annette Lallemand, Scherz, Bern 1985, ISBN 3-502-18641-3 (223 S., im Anhang 10 S. mit Diskographie der Rostropowitsch- und Wischnewskaja-Aufnahmen)

Sekundärliteratur

  • Hans Heinz Stuckenschmidt, Joachim Kaiser: Laudatio auf Mstislaw Leopoldowitsch Rostropowitsch / Laudatio auf Herbert von Karajan. Ernst von Siemens-Musikpreis, Callwey, München 1977 (37 S., Reihe der Bayerischen Akademie der Schönen Künste 22)
  • Ideologisch entartete Elemente. Streng geheime Akten und andere Dokumente über Täter und Opfer bei der Ausbürgerung von Galina Wischnewskaja und Mstislaw Rostropowitsch aus der UdSSR (1974–1978). Ernst Kuhn, Berlin 1995, ISBN 978-3-928864-25-1 (131 S.)
  • Mstislaw Rostropowitsch (ZEIT Klassik-Edition). Metzler, Stuttgart 2007, ISBN 978-3-476-02219-6 (64 S., 20 schw.-w. Abb., mit 1 CD)
  • Spiel mit der Nase, wenn’s nicht anders geht! Dem Jahrhundert-Cellisten Mstislaw Rostropowitsch zum 80. Geburtstag. In: Berliner Zeitung, 27. März 2007
  • Shostakovich, Prokofiev, Britten and Me. In: New York Times, 16. April 2006

Weblinks

 Commons: Mstislaw Rostropowitsch – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Азиопа. Часть вторая. Дом - музей семьи Ростроповичей в Оренбурге. Svali.ru, 16. Mai 2007, abgerufen am 20. Dezember 2016 (russisch).
  2. Mstislaw L. Rostropowitsch im Munzinger-Archiv, abgerufen am 20. Dezember 2016 (Artikelanfang frei abrufbar)
  3. a b Christof Siemes: Zwei Knoten in zehn Fingern. Die Zeit, 6. April 2006, abgerufen am 20. Dezember 2016.
  4. Mstislav Rostropovich and Michael Bach. BACH.Bogen, abgerufen am 20. Dezember 2016.
  5. Michael Bach: Presentation of the BACH.Bogen®on the occasion of the Concours Rostropovitch in Paris. cello.org, 19. August 2002, abgerufen am 20. Dezember 2016.
  6. Mstislaw Rostropowitsch – Stationen seines Lebens. Russland.ru, 28. April 2007, abgerufen am 20. Dezember 2016.
  7. https://www.openpr.de/news/101175/Rostropovich-wird-Ehrenbuerger-von-Florenz.html
Diese Seite wurde zuletzt geändert am 17.06.2018 16:27:44

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