Sappho

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Sappho (meist ; attisch und neugriechisch Sapphó, klassische Aussprache ; * zwischen 630 und 612 v. Chr.; um 570 v. Chr.) war eine antike griechische Dichterin. Sie gilt als wichtigste Lyrikerin des klassischen Altertums und hat kanonische Bedeutung. Sappho lebte in Mytilene auf der Insel Lesbos in der Nordägäis, dem kulturellen Zentrum des 7. vorchristlichen Jahrhunderts. In ihren Dichtungen spielt die erotische Liebe eine wichtige Rolle. Nach heutigen Schätzungen sind nur etwa sieben Hundertstel ihres Gesamtwerks erhalten geblieben.

Name

Sappho nennt sich in ihren Texten selbst Psapph, klassische Aussprache . Eine ähnliche Schreibung begegnet nur auf einer schwarzfigurigen Hydria im Nationalmuseum Warschau,[1] wo der Dichterin der (eventuell verschriebene) Name Psath zugewiesen ist. Alle anderen antiken Autoren und Inschriften benutzen hingegen die heute gebräuchliche Form Sápph. Dies gilt auch für Sapphos Landsmann und Zeitgenossen Alkaios; die unterschiedlichen Schreibweisen lassen sich schwerlich als im Laufe der Zeit eingetretene oder dialektal bedingte Veränderungen erklären. Unter Umständen begann ihr Name, der sich auf keine griechische Wurzel zurückführen lässt, mit einem im anatolischen Raum benutzten Zischlaut, der sich im griechischen Alphabet nur unvollkommen wiedergeben ließ und daher unterschiedlich transliteriert wurde.[2]

Leben

Das Leben der Sappho ist nur in späteren Legenden aufgezeichnet. Diesen zufolge entstammte sie einem alten mytilenischen Adelsgeschlecht und musste aus politischen Gründen nach Sizilien fliehen. Um das Jahr 591 v. Chr. kehrte sie nach Lesbos zurück und versammelte dort eine Gruppe von jungen Mädchen vornehmer Herkunft als Schülerinnen um sich. Sie unterrichtete die jungen Frauen in musischen Fertigkeiten wie Poesie, Musik, Gesang und Tanz und trat mit ihnen bei Festen zu Ehren der Götter auf.

Es gibt Vermutungen, dass sie mit einem reichen Kaufmann (wahrscheinlich von der Kykladeninsel Andros) verheiratet war und eine Tochter namens Kleis hatte, deren Haar sie in einem Gedicht als blonder als das Fackellicht beschreibt. Der Ehemann soll Kerkylas geheißen haben.[3]

Ins Reich späterer Legendenbildung muss auch die bereits bei Menander und bei Ovid vorausgesetzte Behauptung[4] verwiesen werden, Sappho habe sich aus unerwiderter Liebe zu Phaon von einem Felsen gestürzt. Da die mythische Tradition den mit göttlicher Schönheit ausgestatteten Phaon als Fährmann zwischen Lesbos und Kleinasien lokalisierte, dürfte nicht zuletzt die geographische Nähe zur Heimat der Sappho die Entstehung dieser Konstruktion begünstigt haben.

Werk

Zum Werk der Sappho gehörten Götterhymnen, Hochzeits- und Liebeslieder, die in der Antike in neun Büchern gesammelt waren, heute jedoch alle verloren sind. Die Überlieferung muss sich daher auf Verweise und Zitate anderer Autoren oder auf Papyrusfragmente stützen. Bis heute konnten nur vier ihrer aiolischen Gedichte auf diese Weise mit hinreichender Sicherheit rekonstruiert werden. Eines der letzten davon wurde erst im Jahre 2004 bekannt, als die beiden Professoren Michael Gronewald und Robert Daniel vom Institut für Altertumskunde an der Universität zu Köln auf einem Papyrus, der als Mumienkartonage verwendet worden war, Teile davon fanden und zur Rekonstruktion einsetzen konnten. Ein weiteres wurde im Jahre 2005 entdeckt. Fragmente von zwei weiteren bisher unbekannten Gedichten, darunter das sogenannte "Brüdergedicht", in dem Sappho die Heimkehr ihres älteren Bruders Charaxos besingt und auch ihren jüngeren Bruder Larichos erwähnt, [5] wurden 2014 von dem amerikanischen Papyrologen Dirk Obbink entdeckt.[6]

Sappho gilt als die bedeutendste Lyrikerin der Antike, besonders gerühmt wurde im Altertum ihre klare und ausdrucksstarke Sprache, durch die sie unter anderem zum Vorbild des römischen Dichters Horaz wurde. Auch Catull beeindruckten Sapphos Werke, so dass er sie sogar in seinen Gedichten zitierte (z.B. carmen 51, 62). Zwei Jahrhunderte nach ihrem Tod schätzte Platon ihre Lyrik so sehr, dass er Sappho als zehnte Muse bezeichnete. Oft wurde sie in der antiken Rezeption als Homer in Frauengestalt gesehen, und Friedrich Schlegel schrieb 1798 dazu: Hätten wir noch die sämtlichen sapphischen Gedichte: vielleicht würden wir nirgends an Homer erinnert.[7]

Ihre Lieder, in denen sie die Schönheit ihrer Freundinnen, Schülerinnen und vor allem auch ihrer Tochter besingt, sind im Anschluss an ein Scholion zu Martials Epigramm 7,67 seit Domizio Calderino (1474) auf die Liebe Sapphos zu Frauen bezogen worden; von dieser Auffassung schreibt sich die Bezeichnung lesbische oder sapphische Liebe für weibliche Homosexualität her.

Die vierzeilige Sapphische Strophe ist nach ihr benannt und geht vermutlich auch auf sie zurück.

Textbeispiele

...

Im aiolischen Dialekt des Altgriechischen:


· µ
, ·
Untergegangen ist zwar der Mond
und die Pleiaden. Nachtmitte schon
und vorbei geht die Stunde.
Ich aber schlafe alleine.[8]
Aphrodite
Lied auf der Scherbe
Aphrodite. Allmächtige komm vom Äther herab
zu deinem Tempel. einst von Kretern erbaut.
Unter den Apfelbäumen des heiligen Hains.
als sie dir Opfer brachten auf den Altären.
schwelten damals der kühlenden Quelle entlang
Wolken von Weihrauch.
Immer noch rinnt das Wasser. von Zweigen beschattet.
zum Garten hinab und tränkt mir die Rosen der Laube.
wo ich voll Seligkeit, während sie lautlos entblättern, Kypris erwarte.
Drüben. dort auf der Weide tummeln sich Pferde.
grasen im Klee und in den reifenden Ähren.
Süßer Geruch von Blumen weht von der Wiese
hierher zu mir.
Göttin der Liebe! Empfange mein Blumengebinde.
Komm und erscheine uns. Fülle die goldenen Schalen.
mische mit Nektar den Wein und schenke uns eine
himmlische Freude.

Ausgaben und Übersetzungen

  • Sappho. Scherben Skizzen. Übersetzungen und Nachdichtungen von Dirk Uwe Hansen. udo degener verlag, Potsdam 2012, ISBN 978-3-940531-70-4
  • Sappho: Lieder. Griechisch und deutsch, Hg. Max Treu. 4., durchges. Aufl. Heimeran, München 1968
  • Sappho. Strophen und Verse. Übers. und Hg. Joachim Schickel. Insel, Frankfurt 1978, ISBN 3-458-32009-1
  • Sappho. Liebesgedichte. Auswahl Marion Giebel. Übers. Joachim Schickel. Insel, Frankfurt 2007, ISBN 978-3-458-34945-7
  • Greek Lyric, Bd. 1, Sappho and Alcaeus. Hrsg. und übers. von David A. Campell. Harvard University Press, Cambridge, Mass. 1982, reprint 2002 (Loeb Classical Library), ISBN 0-674-99157-5. (Griechisch Englisch).
  • Griechische Lyrik in einem Band. Übers. & Hg. Dietrich Ebener. 2. Auflage. Aufbau, Berlin 1980
  • Sappho. In: Dichtung der Antike von Homer bis Nonnos. Auswahl Mark Lehmstedt. Digitale Bibliothek, 30. Directmedia, Berlin 2000. (CD-ROM)
  • Sappho. Untergegangen der Mond. Lieder und Strophen. Ausgewählt und neu übers. von Michael Schroeder. Artemis & Winkler, Düsseldorf 2006, ISBN 3-538-06318-4
  • E. Lobel & D. Page: Poetarum Lesbiorum Fragmenta, Oxford 1955
  • D. Page: Sappho and Alcaeus, Oxford 1955. 5. Aufl. 1975

Rezeption

Der amerikanische Schriftsteller J. D. Salinger benannte seine 1955 in The New Yorker veröffentlichte Erzählung Hebt den Dachbalken hoch, Zimmerleute (Raise High the Roof Beam, Carpenters) nach einer Zeile aus dem Fragment LP 111. In der Erzählung wird als Quelle der fiktive Autor Irving Sappho der Elysium Studios GmbH angegeben.

Die Dichterin Sappho steht im Zentrum des Musiktheaterabends Nocturno in der Bundeskunsthalle Bonn. Die Uraufführung des Werks des österreichischen Komponisten Georg Friedrich Haas war am 23. März 2013.[9][10]

Die Künstlerin Judy Chicago widmete Sappho in ihrer Arbeit The Dinner Party einen der 39 Plätze am Tisch.

Literatur

  • Andreas Bagordo: Sappho. In: Bernhard Zimmermann (Hrsg.): Handbuch der griechischen Literatur der Antike, Band 1: Die Literatur der archaischen und klassischen Zeit. C. H. Beck, München 2011, ISBN 978-3-406-57673-7, S. 200208
  • Paul Barié: Sappho und Archilochos. Zauber des Anfangs. Ursprünge der europäischen Lyrik. Exemplarische Reihe Literatur und Philosophie, 27. Sonnenberg, Annweiler 2008, ISBN 978-3-933264-54-1
  • Page DuBois: Sappho is burning. University of Chicago Press, Chicago 1995, ISBN 0-226-16755-0
  • Marion Giebel: Sappho. In Selbstzeugnissen und Bilddokumenten, Rowohlt, Reinbek 2002, ISBN 978-3-499-50291-0
  • Peter Kuhlmann: Sappho. Die größeren Fragmente des 1. Buches Röll, Dettelbach 2003, ISBN 3-89754-198-X
  • Helmut Saake: Zur Kunst Sapphos. Motiv-analytische und kompositionstechnische Interpretationen, Schöningh, München 1971, ISBN 3-506-77401-8
  • Annegret Stopczyk-Pfundstein: Kap. Der weiblich verleiblichende Logos. in Sophias Leib. Der Körper als Quelle der Weisheit, 2003, ISBN 3-8311-4316-1 S. 265-287
  • M. Treu: Sappho, Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft, Suppl. 11, 1968, Sp. 1222-1240
  • Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff: Sappho und Simonides. Untersuchungen über griechische Lyriker, Weidmann, Zürich ³1985, ISBN 3-296-16160-0
Belletristische Darstellungen
  • Tami van Dalen: SAPPHO und dass ich dich lieben werde ..., Thiasos, Heinrichshofen 2005, ISBN 978-3-9810614-0-6
  • Joachim Fernau: Sappho. Ein griechischer Sommernachtstraum, Herbig, München 1986, ISBN 3-548-25141-2
  • Franz Grillparzer, Sappho. Trauerspiel in 5 Akten, Erstaufführung Burgtheater Wien 1818. Druckausgabe Wallishausser, Wien 1819: (); Reclam, Stuttgart 1986 ISBN 3-15-004378-6 (online lesbar)
  • Erica Jong: Sappho, Ullstein, Berlin 2004, ISBN 3-550-08490-0
  • Siegfried Obermeier: Sappho, Nymphenburger Verlagsanstalt, München 2001, ISBN 3-485-00885-0
  • Martha Rofheart: Ich heiße Sappho, Molden, München 1980, ISBN 3-217-00696-8
  • Monique Wittig: Aus deinen zehntausend Augen Sappho. Amazonen Frauenverlag, Berlin 1984, ISBN 3-88171-005-1

Vertonung der Gedichte

  • Angélique Ionatos (Komposition und Gesang), Nena Venetsanou (Gesang): Sappho De Mytilene (CD Album), Auvidis 2008 (1991); nach einer Übersetzung ins moderne Griechisch von Odysseus Elytis

Weblinks

Wikisource: Sappho  Quellen und Volltexte

Anmerkungen

  1. (Inventarnummer 142333)
  2. Günther Zuntz: On the etymology of the name Sappho, Museum Helveticum 8, 1951, S. 12-35 (Online)
  3. Dies aber ist möglicherweise nur ein später, wohl in einer Komödie, angedichteter Spaß, da Andros, der vermeintliche Herkunftsort, gleichlautend mit dem Genitiv von anr Mann ist, welcher im Griechischen den Stamm des ersten Wortteils eines Kompositums bildet. Kerkos als zweiter Namensbestandteil bedeutete Schwanz (auch im übertragenen Sinne).
  4. Menander, Fragment 258 Körte = PCG VI 1; Ovid, epistulae 15.
  5. Übersetzung des "Brüdergedichts (englisch)
  6. http://archaeologynewsnetwork.blogspot.ca/2014/01/lost-poems-of-greek-poetess-sappho-found.html#.Uun3Wj1_vE1 Lost poems of Greek poetess Sappho found auf thearchaeologynewsnetwork
  7. J. Minor (Hrsg.): Friedrich Schlegel, 1794-1802: Seine prosaischen Jugendschriften. Carl Konegen, Wien, 1882, S. 242.
  8. Die weibliche Sicht auf die Gestirne (hier die Plejaden [das Siebengestirn] und die [Bogen-]Mondgöttin) wird oft unterbetont. Vgl. Lars Clausen, Einmal Mytilene; und zurück, in: Der Rabe Nr. 16, 1987, S. LVI f. mit Übersetzungskritiken und dem Vorschlag: Du sankest zu Sieben-Stern-Mädchen, | Bogenmond-Schützin! Mitten im | Dunkeln vorbei geht die Stunde | mir, ach, die einsam ich kaure.
  9. Bonn Chance! Experimentelles Musiktheater: Nocturno
  10. ["Nocturno" von Georg Friedrich Haas: Die Dichterin im Musiktheater http://test.wdr3.de/buehne/nocturno100.html], WDR3 vom 23. März 2013
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