Leonard Bernstein

Leonard Bernstein

geboren am 25.8.1918 in Lawrence, MA, USA

gestorben am 14.10.1990 in New York, NY, USA

Leonard Bernstein

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Leonard „Lenny“ Bernstein (* als Louis Bernstein am 25. August 1918 in Lawrence, Massachusetts; † 14. Oktober 1990 in New York City, New York) war ein US-amerikanischer Komponist, Dirigent und Pianist.

Leben

Leonard Bernstein entstammte einer jüdischen Einwandererfamilie aus Riwne (Równo) in der heutigen Ukraine. Er wurde als Louis Bernstein geboren. Im Alter von 16 Jahren änderte er seinen Vornamen in Leonard, der bis dahin sein Rufname gewesen war.

Er studierte an der Harvard-Universität Klavier und Komposition. Bereits 1943 wurde er Assistant Conductor (2.Dirigent) des New York Philharmonic Orchestra unter Artur Rodziński, der ihn in Tanglewood als Assistenten von Serge Koussevitzky erlebt hatte. In ebendiesem Jahr konnte Bernstein seine Begabung unter Beweis stellen, als er kurzfristig für den erkrankten Bruno Walter einspringen musste. Die eindrucksvolle Aufführung von Schumanns Manfred-Ouvertüre und StraussDon Quixote, welche über den Rundfunk landesweit übertragen wurde, verhalf ihm zum Durchbruch und war so Beginn einer beispiellosen Karriere.

Bernstein war hoch angesehen als Dirigent zahlreicher Konzerte weltbekannter Orchester, vor allem als (erster US-amerikanischer) Musikdirektor des New York Philharmonic Orchestra (1958–1969) und als regelmäßiger Gastdirigent der Wiener Philharmoniker sowie des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks bis zu seinem Tod 1990. Sein Repertoire umfasste klassische wie avantgardistische Werke; vor allem das Werk Gustav Mahlers fand seine Beachtung und Bewunderung.

Zu Bernsteins erfolgreichsten Bühnenwerken gehören die Musicals On the Town (1944), West Side Story (1957) und Candide (1974). Die Verfilmungen von On the Town (mit Gene Kelly und Frank Sinatra)[1] sowie West Side Story[2] waren Welterfolge. Ebenfalls für den Broadway schrieb er das Musical Wonderful Town (1953).[3]

Im großen Sendesaal des Funkhauses Wien fand im April 1963 die erste Aufführung von Leonard Bernsteins Musical Candide in deutscher Sprache statt. In der Rundfunkbearbeitung und Regie von Marcel Prawy mit dem Orchester und Chor des ORF unter der musikalischen Leitung von Samuel Krachmalnick lasen Voltaires Novelle unter anderem die Burgschauspieler Blanche Aubry, Heinrich Schweiger, es sangen Mimi Coertse und Rudolf Christ.

Das Musical 1600 Pennsylvania Avenue wurde so genannt, weil das die Adresse des Weißen Hauses in Washington ist und die Handlung dort angesiedelt wurde. Es sollte eine künstlerische Reaktion auf die Nixon-Ära und den Watergate Skandal sein, ein Versuch, Amerikas „Patriotismus in seiner Bigotterie aufzuzeigen, mit dem Hinweis, dass die (Rassen-) Freiheit noch nicht überall angekommen war“. Aber die Show war zu kompliziert angelegt, um die Gegensätze zwischen dem täglichen Leben der Präsidenten und First Ladies und dem ihrer schwarzen Dienerschaft (Rassenpolitik) anschaulich aufzuzeigen. Wenn man berücksichtigt, dass Bernstein vier Jahre daran gearbeitet hatte (1972–1976) und dafür mehr Musik produzierte als für jedes andere Theaterwerk,[4] dann sieht es so aus, dass Ziel und Form niemals wirklich übereinstimmten zwischen Bernstein und seinem Texter-Librettisten Alan Jay Lerner. Die Voraufführung in Philadelphia war sogleich ein Reinfall und er wurde mit „Rassist“ beschimpft. Auch die Aufführung in New York musste bereits nach einer Woche abgesetzt werden. Der einzige Hit außerhalb der Show war „Take Care of This House“,[5] ein Chor, der zu Präsident Carters Amtseinführung Gala im Januar 1977 vorgetragen wurde. Später stellte Bernstein dann aus verschiedenen Szenen des Musicals „A White House Cantata“ zusammen. Bernsteins Erben wollen jetzt das Musical wieder aufleben lassen, da nach Meinung der Tochter die Zeit damals noch nicht reif dafür war.[6]

Bernsteins Einakter-Oper Trouble in Tahiti (Premiere 1952), war zu kurz für eine Opernaufführung, so dass er sie kurzerhand als Szene 2 und 4 oft im 2. Akt seiner neuen Oper A Quiet Place einbaute, die in Houston, Houston Grand Opera, am 17. Juni 1983 uraufgeführt wurde. Hier ist eine Besprechung von einer Aufführung 2010 in New York.[7]

Angeregt durch sein jüdisches Erbe, schrieb Bernstein die Symphony Nr. 1 „Jeremiah“ (1943), gewidmet seinem Vater. Deren Uraufführung dirigierte er mit dem Pittsburgh Symphony Orchestra 1944. Dafür erhielt er den New York Music Critics' Award. Seine Symphony Nr. 2 „The Age of Anxiety“ war eine Auftragsarbeit der Koussevitzky Stiftung, die er diesem zu Ehren widmete („For Serge Koussevitzky, in tribute“). Sie hatte 1949 mit dem Boston Symphony Orchestra unter Serge Koussevitzky Premiere, bei der Bernstein Solist am Klavier war. Seine Symphony Nr. 3 „Kaddish“, die der 1963 komponierte, wurde erstmals mit dem Israel Philharmonic Orchestra aufgeführt. „Kaddish“ hat Bernstein dem Andenken John F. Kennedys gewidmet. („To the Beloved Memory of John F. Kennedy“). Es folgten die Chichester Psalms (1965) ein dreiteiliges Chorwerk bezogen auf hebräische Psalmentexte. Eine Aufnahme mit dem Tölzer Knabenchor – 2. Satz – mit dem Polnischen National Radio-Orchester und Bernstein als Dirigent kann hier angesehen werden:[8] Sein Musiktheater-Werk „Mass“ (Messe), ein Theaterstück für Sänger, Schauspieler und Tänzer – so der Untertitel des Werks – wurde 1971 in Washington uraufgeführt.[9] Es war ein Auftragswerk für die Eröffnung des John F. Kennedy Center for the Performing Arts in Washington, DC.

Bernstein sagte von sich, er sei in erster Linie ein Komponist ernster Musik. Das stimmt insofern, dass er ja eine Sinfonie komponiert hatte, bevor er einen Song schrieb. Die „Musicals“ sind ein Teil seines Gesamtwerks.

Seine Fernsehsendungen Young People’s Concerts, Konzerte für junge Leute mit dem New York Philharmonic Orchestra, waren herausragende Beiträge zur musikalischen Bildung. Zwischen 1958 und 1972 leitete Bernstein (mit einigen Unterbrechungen) insgesamt 53 Konzerte. Mit seinem Charisma, seiner großen Sprachbegabung und seinem Humor vermochte er das Publikum zu fesseln und sowohl Kindern als auch Erwachsenen Begriffe und Werke der klassischen Musik – wie etwa Tonart, Impressionismus oder aber Komponisten und Werke (Gustav Mahler, Beethovens Fidelio, Sibelius) vorzustellen und zu erläutern.

Im Jahre 1959 trat Leonard Bernstein erstmals bei den Salzburger Festspielen auf, 1966 debütierte er an der Wiener Staatsoper mit Falstaff, in den folgenden Jahren leitete er hier Aufführungen von Der Rosenkavalier und Fidelio.

1973 hielt Leonard Bernstein auf Einladung der Harvard-Universität die sechsteilige Vorlesungsreihe The Unanswered Question, in der er über die Grundlagen der Musik in Analogie zur linguistischen Forschung Noam Chomskys sprach. Der Titel bezog sich auf das gleichnamige Werk des amerikanischen Komponisten Charles Ives. 1987 gründete er die internationale Orchesterakademie des Schleswig-Holstein Musik Festivals.

Als eine seiner letzten Produktionen dirigierte Leonard Bernstein am 23. und 25. Dezember 1989 auf eine spontane Einladung von Justus Frantz hin in Berlin Beethovens Neunte Symphonie (in der Philharmonie und im Konzerthaus, damals noch Schauspielhaus genannt). Für die Feierlichkeiten anlässlich des Falls der Berliner Mauer hat Bernstein im vierten Satz Freiheit statt Freude singen lassen. Damit wurde aus der Ode an die Freude eine Ode an die Freiheit. Bernsteins Kommentar dazu war „Ich bin sicher, Beethoven würde uns zustimmen“.[10] Schon sichtlich angeschlagen dirigierte Bernstein in seiner letzten Produktion am 19. August 1990 das Boston Symphony Orchestra in Tanglewood. Diese Aufnahme der Four Sea Interludes von Benjamin Britten und der 7. Sinfonie in A-Dur von Beethoven wird als sein Final Concert bezeichnet.

Zeitlebens bestand eine freundschaftliche Rivalität zu Herbert von Karajan, so leitete Bernstein auch im Herbst 1989 die Gedenkstunde für Herbert von Karajan im Wiener Musikverein.

Bernstein war für das Dirigat des Neujahrskonzertes der Wiener Philharmoniker 1992 vorgesehen, doch am 14. Oktober 1990 starb er 72-jährig an akutem Herzversagen in Folge eines Emphysems und einer Krebserkrankung.[11] Sein Grab befindet sich auf dem Green-Wood Cemetery in Brooklyn, New York.

Persönliches

Bernstein heiratete am 9. September 1951 die aus Chile stammende Schauspielerin Felicia Montealegre, sie hatten drei Kinder: Jamie Anne Maria (1952), Alexander Serge Leonard (1955) und Nina Maria Felicia (1962).[12] Obwohl er ein liebevoller Vater war, war Bernstein in der Musikwelt für seine Promiskuität berüchtigt. Das Paar trennte sich Mitte der 1970er Jahre, als seiner Frau bekannt wurde, dass er homosexuelle Beziehungen hatte. Nach der Trennung lebte Bernstein mit Tom Cothran zusammen. Als bei seiner Frau Lungenkrebs diagnostiziert wurde, kehrte er noch einmal bis zu ihrem Tod im Juni 1978 zu ihr zurück.[13]

Auf einer Geburtstagsfeier Aaron Coplands im Jahr 1979 erklärte Bernstein ihn in seiner öffentlichen Grußansprache zu „meinem ersten Freund in New York, meinem Meister, meinem Vorbild, meinem Weisen, meinem Therapeuten, meinem Führer, meinem Berater, meinem älteren Bruder, meinem geliebten Freund.“ Copland war bisexuell.[14]

Freundschaftlich verbunden war „Lenny Bernstein“ unter anderem mit Helmut und Loki Schmidt.[15]

Preise und Ehrungen (Auswahl)

  • 1951 wurde Bernstein in die American Academy of Arts and Sciences gewählt.
  • 1965 erhielt Bernstein den internationalen Léonie-Sonning-Musikpreis.
  • 1970 bekam Bernstein das Große Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich.[16]
  • 1976 Österreichisches Ehrenzeichen für Wissenschaft und Kunst
  • 1981 erhielt er die Ehrendoktorwürde der Hebräischen Universität Jerusalem.
  • 1982 bekam er den Ehrenring der Stadt Wien.
  • 1985 wurde er für sein Lebenswerk mit dem Grammy Award ausgezeichnet.
  • 1987 wurde ihm der Ernst von Siemens Musikpreis verliehen.
  • 1988 wurde er mit dem Brahms-Preis der in Heide ansässigen Brahms-Gesellschaft Schleswig-Holstein ausgezeichnet.[17]
  • Während seiner Karriere gewann er 11 Emmy Awards.

Werke

Orchesterwerke

  • Sinfonien
    • 1. Sinfonie Jeremiah
    • 2. Sinfonie The Age of Anxiety
    • 3. Sinfonie Kaddish (mit Soli und Chor)
  • Chichester Psalms (1965) (mit Soli und Chor)
  • Fancy Free
  • Dybbuk, Suite für Orchester
  • Slava: Eine politische Overture
  • Serenade über Platons Symposium
  • Divertimento for Orchestra (Auftragswerk für das Boston Symphony Orchestra, 1980)
  • Halil (Nocturne für Soloflöte, Streichorchester und Schlagwerk)
  • Prelude, Fugue and Riffs für Soloklarinette und Jazzensemble (1949)

Bühnenwerke

  • Trouble in Tahiti (1952)
  • Candide - Buch: Lillian Hellman nach Candide oder der Optimismus von Voltaire, UA 1956 als „komische Operette“, Neufassung 1974 als „Musical“
  • A Quiet Place (1984; beinhaltet „Trouble in Tahiti“ als Rückblende)

Musicals

  • On the Town (1944)
  • Wonderful Town (1953)
  • West Side Story (1957)
  • Candide (1956, revidiert 1989)
  • 1600 Pennsylvania Avenue (1976)

Kammermusik

  • Klaviertrio (1937)
  • Klarinettensonate (1941/1942)
  • Brass music (1959)

Klaviermusik

  • Sonate (1938)
  • Touches - Chorale, Eight Variations and Coda (1983)
  • mehrere Miniaturen genannt Anniversaries

Filmmusik

  • Die Faust im Nacken (On the Waterfront) (1954)

Andere Werke

  • Mass
  • Lieder: Peter Pan
  • Lied in: The Madwoman of Central Park West
  • Liederzyklus: I Hate Music
  • Liederzyklus: La bonne cuisine (gesungene Kochrezepte)
  • Elegy for Mippy II für Soloposaune
  • Songfest

Bücher

  • The Joy of Music (dt. Freude an der Musik)
  • Young People's Concerts Deutsche Ausgabe: Konzert für junge Leute. Die Welt der Musik in 15 Kapiteln Omnibus, München 2007, ISBN 978-3-570-21827-3.
  • The Infinite Variety of Music, 1967, 5 Fernsehmanuskripte, 4 Symphonie-Analysen (dt. 1975 Von der unendlichen Vielfalt der Musik)
  • The Unanswered Question, 1976, 6 Harvard-Vorlesungen, (dt. 1982 Musik - die offene Frage)
  • Findings, 1982, 42 kürzere Texte 1935-73 (dt. 1990 Erkenntnisse)

Literatur

  • Enrico Castiglione: Ein Leben für die Musik. Gespräche mit Leonard Bernstein. Henschel Verlag, Berlin (1993) ISBN 978-3-89487-182-6.
  • Humphrey Burton: Leonard Bernstein. Knaus, München 1994, ISBN 3-8135-0217-1.
  • Peter Gradenwitz: Leonard Bernstein: 1918–1990; unendliche Vielfalt eines Musikers. Atlantis, Zürich 1995, ISBN 3-254-00174-5.
  • Joan Peyser: Leonard Bernstein: die Biographie eines Musikgenies. Heyne, München 1991, ISBN 3-453-04626-9.
  • Meryle Secrest: Leonard Bernstein : A Life. Knopf, New York 1994, ISBN 0-679-40731-6.
  • Thomas R. Seiler: Leonard Bernstein. Die letzten zehn Jahre. Ein fotografisches Portrait. : Edition Stemmle, Zürich 2000, ISBN 978-3-908161-97-4.
  • Barry Seldes: Leonard Bernstein : the political life of an American musician Berkeley, Calif. [u.a.] : Univ. of California Press, 2009, ISBN 978-0-520-25764-1.
  • Jonathan Cott: Dinner with Lenny. The Last Long Interview with Leonard Bernstein. Deutsche Übersetzung von Susanne Röckel. Titel: Leonard Bernstein. Kein Tag ohne Musik. C. Bertelsmann, München 2012, ISBN 978-3-570-58037-0.

Film-Dokumentation

  • Leonard Bernstein Conducts West Side Story / Alternativtitel: The Making of „West Side Story“ (BBC, Unitel 1985) – Fast 90-minütige Film-Dokumentation über Leonard Bernsteins erste eigene Tonträger-Einspielung von West Side Story. Mit Kiri Te Kanawa als Maria, José Carreras als Tony und Tatiana Troyanos als Anita.

Weblinks

 Commons: Leonard Bernstein – Album mit Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. „On the Town“ auf der Bernstein-Webseite
  2. Verfilmung 1961
  3. Leonard Bernstein: Wonderful Town: Overture - Conductor: Daniel Parkinson – auf you tube
  4. Bernstein - 1600 Pennsylvania Ave. - Overture – auf you tube
  5. Take Care of This House - Bernstein - Manchester Choral Society – auf you tube
  6. A Bernstein Musical Revived — in Part By KATE TAYLOR The New York Sun, March 11, 2008
  7. Anthony Tommasini: A Family’s Misery, a Composer’s Moment. In: The New York Times, 28. Oktober 2010 (englisch).
  8. Bernstein - Chichester Psalms - Adonai ro-i Symphony Orchestra – auf you tube
  9. Bernsteins „Mass“ beim OsterKlang. In: ORF, 14. April 2011.
  10. Miquel Cabruja: Auf immer mit der Geschichte verbunden. In: klassik.com, 13. April 2010.
  11. Humphrey Burton: Leonard Bernstein. Knaus, München 1994, S. 696.
  12. Familienphotos
  13. Leonard Bernstein: A Divided Life By Jesse Monteagudo
  14. Bernstein Biografie bei Boosey & Hawkes
  15. Helmut Schmidt: Zum 70. Geburtstag von Leonhard Bernstein am 25. August 1988. In: Gitarre & Laute, Band 10, Heft 6, 1988, S. 35 f.
  16. Aufstellung aller durch den Bundespräsidenten verliehenen Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich ab 1952 (PDF; 6,9 MB)
  17. Brahms-Preis auf der Homepage der Brahms-Gesellschaft Schleswig-Holstein
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