Jutta Hipp

Jutta Hipp

geboren am 4.2.1925 in Leipzig, Sachsen, Deutschland

gestorben am 7.4.2003 in New York City, NY, USA

Jutta Hipp

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Jutta Hipp (* 4. Februar 1925 in Leipzig; † 7. April 2003 in New York, USA) war eine deutsche Jazz-Pianistin, Malerin und Designerin.

Leben und Wirken

Hipp besuchte die Rudolf-Hildebrand-Schule in Leipzig-Connewitz und erhielt mit neun Jahren Unterricht in Klassischem Klavierspiel, den sie aber nach vier Jahren beendete. Als Teenager von vierzehn Jahren hörte sie erstmals Jazz, und entdeckte ihre Liebe zu dieser Musik durch den Kontakt zu dem illegalen Jazzclub Hot Club Leipzig, in dem sie während des Zweiten Weltkrieges als Mitglied einer Amateur-Jazzband auch auftrat.[1][2]
Von 1942 bis 1945 war sie Studentin an der Staatlichen Akademie für graphische Künste und Buchgewerbe in Leipzig, belegte dort eine Meisterklasse bei Professor Walter Buhe und war auch Studentin der Professoren Kurt Metze und Karl Miersch.

Hipp übersiedelte 1946 nach Westdeutschland, um zunächst bei Paul Martin und ab 1951 professionell mit der Band von Freddie Brocksieper in München und Bayern in US-amerikanischen Soldaten-Clubs zu spielen, dann in der Combo (New Jazz Stars) von Hans Koller, die auch Dizzy Gillespie begleitete und sich das „Cool-Jazz“-Idiom aneignete. 1952 zog sie nach Frankfurt am Main und leitete 1953 bis 1955 das Jutta Hipp Quintett, dem zunächst Emil Mangelsdorff, Joki Freund, Hans Kresse und Karl Sanner angehörten. In dieser Besetzung trat die Band auf dem ersten Deutschen Jazzfestival 1953 auf und nahm auch das Album New Faces – New Sounds from Germany für ein amerikanisches Label auf.[3] 1953 belegte sie im Podium-Jazz-Referendum den ersten Platz unter den deutschen Jazzpianisten. Auch mit ihrer nächsten Band 1954/5, zu der Attila Zoller gehörte, bestätigte sie den Ruf, „Europe’s First Lady in Jazz“ zu sein. 1954 spielte sie auf dem Deutschen Jazzfestival mit Albert Mangelsdorff und Zoller, aber auch in einer Session mit Hugo Strasser.

1955 ging sie mit ihrem Quartett in Schweden auf Gastspielreise, wo sie auch mit Lars Gullin aufnahm,[4] und siedelte nach einer Jugoslawien-Tournee mit J. Freund und Carlo Bohländer auf ein Angebot von Leonard Feather, der sie 1954 in Duisburg gehört hatte und von ihrem Spiel begeistert war, in die Vereinigten Staaten über.[5] Dort war sie zunächst erfolgreich. Sie erhielt als erster europäischer Jazzmusiker (und zweiter weißer Musiker überhaupt) einen Vertrag bei Blue Note Records, für die sie 1956 drei Alben unter eigenem Namen aufnahm.[6] 1956 spielte sie als Vertretung der auf Tour gegangenen Marian McPartland auf Feathers Vermittlung hin ein halbes Jahr im New Yorker Club-Restaurant Hickory House (im Trio mit Peter Ind und Ed Thigpen). Ihr Spiel wurde härter und bekam mehr Drive. Auch trat sie 1956 beim „Newport Jazz Festival“ auf. Kurze Zeit arbeitete sie auch mit Charles Mingus zusammen.[7]

Noch 1956 kam es jedoch zu künstlerischen Differenzen mit Feather, teilweise darin begründet, dass sie sich in ihr musikalisches Repertoire nicht hineinreden lassen wollte.[8] Sie nahm danach nicht wieder auf und hatte nur noch Engagements in kleineren Clubs in New York und auf Long Island. Um 1957 tourte sie mit dem Saxophonisten Jesse Powell in den Südstaaten, was nach ihren eigenen Worten der musikalische Höhepunkt ihrer Karriere war.[9] Da die Situation sich für Jazzmusiker Ende der 1950er Jahre verschlechterte, nahm sie einen Job als Näherin in einer Kleiderfabrik in Queens an.[10] Bis 1960 trat sie dabei noch an Wochenenden als Jazzmusikerin auf, wechselte dann aber ganz zu ihrer ersten Liebe Zeichnen und Design. Ein Grund waren auch Alkoholprobleme, teilweise daraus resultierend, dass sie damit ihr starkes Lampenfieber unterdrückte.[11] Das Lampenfieber war auch der Grund für ihre Vorliebe für Auftritte in kleineren Jazzclubs.

In den 1940er Jahren hatte sie an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig Graphik-Design studiert. Hipp hatte insbesondere eine Vorliebe für das Malen von Aquarellen. Ihre Motive reichten vom Straßenleben in Queens und ihren Lieblingsstränden auf Long Island bis zu Tierporträts. Ausstellungen ihrer Bilder hatte sie zum Beispiel 1980 und 2000 im Langston Hughes-Kulturzentrum in Corona in New York. Hipp, die auch für ihren schlagfertigen Witz bekannt war, zeichnete auch Karikaturen anderer Jazzmusiker und schrieb Gedichte über sie. Einige wurden im Jazz Podium veröffentlicht. Hipp war auch eine geschickte Puppenmacherin und überließ einige ihrer Puppen dem Museum of the City of New York. Da sie nach ihrem Abschied von der Jazzmusik das Klavier nicht mehr anrührte, wussten viele ihrer Bekannten nichts von ihrer Jazz-Vergangenheit, bis sie aus den Nachrufen davon erfuhren.

Sie blieb aber dem Jazz verbunden und fotografierte unermüdlich in kleinen Jazzclubs in Queens. Die Fotos verschickte sie auch an Freunde und an Jazz-Magazine in Deutschland. Hipp äußerte oft in Briefen an Freunde, dass wirklicher Jazz eher in kleinen Clubs zu finden sei, in denen sie viele hervorragende Musiker hörte, denen das Durchsetzungsvermögen, groß herauszukommen, fehlte. Hipp war 1944 mit dem Schlagzeuger „Teddie“ Frohwalt Neubert verlobt, heiratete jedoch nie und starb an Bauchspeicheldrüsenkrebs in ihrem Apartment in Sunnyside (Queens).

Musikalische Einordnung

Als Pianistin war Hipp in der Swing-Tradition verwurzelt und nach eigenen Worten von Count Basie, Teddy Wilson, aber auch von Fats Waller beeinflusst. Mit dem Aufkommen des Bebop Mitte der 1940er Jahre orientierte sie sich an Bud Powell. Dass viele Musiker, Kritiker und Fans Anfang der 1950er Jahre Cool-Jazz Einflüsse von Lennie Tristano in ihrem Spiel hörten, wurde von ihr selbst eher ablehnend aufgenommen.[12] In späteren Jahren äußerte sie dagegen ihre Bewunderung für den Hard Bop von Horace Silver, den sie um 1956 in New York traf. Auf dem Höhepunkt ihrer Karriere als Jazzpianistin (die auch gelegentlich komponierte) hatte sie einen neuen Stil gefunden, der sich deutlich von den weit geschwungenen Melodiebögen und dem mit seinen Verzierungen die europäische Kunstmusik aufnehmenden Spiel bis zur Übersiedelung nach New York unterschied. „Die Energie, die ihre Spielart des Cool Jazz mit Feuer versehen hatte, kam nun deutlich zum Vorschein.“[13] Sie verweigerte sich konsequent äußerem Druck, sie in eine andere Richtung zu drängen. Ihr in den 1950er Jahren erworbener Ruf als Jazzpianistin (mit dem sie in Europa noch lange danach eine singuläre Erscheinung war) war jedoch bei ihren westdeutschen Fans noch Jahrzehnte später ungebrochen. Sie selbst kehrte nach ihrer Übersiedlung auch besuchsweise nie wieder nach Deutschland zurück.

Anhaltende Rezeption

Auf Beschluss des Leipziger Stadtrates trägt seit 2011 eine Straße in ihrer Geburtsstadt den Namen Jutta-Hipp-Weg.[14]

Zum zehnten Todestag 2013 erschien nicht nur das Album The Lost Tapes, das Rundfunkmitschnitte aus den Jahren 1952, 1953 und 1955 enthält, sondern auch Ilona Haberkamps Tributalbum Cool is Hipp is Cool mit Kompositionen und Gedichten von Hipp (sowie kurzen Ausschnitten aus den Interviews von Iris Timmermann 1986).

Diskografie (Auswahl)

  • Jutta Hipp and Her Combo: Europe's First Lady of Jazz (Mod Records, 1955)
  • New Faces – New Sounds From Germany (1954)[15]
  • Cool Dogs And Two Oranges (1954 bzw. 1980)[16]
  • Die Aufnahmen vom Jazzfestival Frankfurt erschienen auf einer Brunswick EP und später in der CD Box Bear Family 15430
  • Various Artists Cool Jazz made in Germany (1954)[17]
  • At the Hickory House (Vol. 1 & 2) (Blue Note, 1956)
  • Jutta Hipp with Zoot Sims (Blue Note, 1956)
  • The Lost Tapes: The German Recordings 1952–1955 (Jazzhaus/ArthausMusik, 2013[18])
  • Hipp is cool – The Life and Art of Jutta Hipp (Be! Jazz, 2015)

Literatur

  • Thomas Breitwieser: Jutta Hipp, First Lady of German Jazz. In: Gunna Wendt: Die Jazz-Frauen. Luchterhand-Verlag, Hamburg 1992, S. 52–59.[19]
  • Katja von Schuttenbach: Jutta Hipp: Painter, Pianist and Poet. Master Thesis, 2006
  • Nachruf in Die Welt, 12. April 2003.
  • Nachruf in der Jazzzeitung, 5/2003.
  • Porträt (2008) in der tageszeitung
  • Porträt in der Jungle World

Weblinks

Einzelnachweise und Anmerkungen

  1. Einige ihrer Erlebnisse, die ihre non-konformistische Haltung zeigten, schilderte sie Michael Kater, der in seinem Buch Gewagtes Spiel (Köln 1995, S. 281 f.) zu dem Schluss kommt, dass die jungen Frauen im Club „zum stabilen Element“ wurden, weil die Männer eingezogen werden konnten.
  2. Biographische Details zur Umbenennung einer Leipziger Straße nach J. Hipp@1@2Vorlage:Toter Link/www.leipzig.de (Seite nicht mehr abrufbar, Suche in Webarchiven Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis., abgerufen am 17. April 2013
  3. Auf Anregung von Leonard Feather wurde es später auch von Blue Note in den USA vertrieben, um sie dort bekannt zu machen und ihre dortigen Auftrittschancen zu erhöhen. Vgl. Schuttenbach, Jazzpodium, Juli 2006
  4. wiederveröffentlicht auf L. Gullin Vol. 3 1954/55 Late Summer
  5. Der Kunsthändler Heinz Te Poehl zahlte ihr den Flug. Vgl. Robert von Zahn (Hrsg.) Jazz in Nordrhein-Westfalen seit 1946. Köln o. J., S. 230.
  6. 2000 vom japanischen Blue-Note-Ableger neu aufgelegt. Für Blue Note galt sie zum Zeitpunkt der CD-Edition als verschollen, erhielt aber aus den guten Verkäufen in Japan noch die Tantiemen ausgezahlt.
  7. Breitwieser: Jutta Hipp. First Lady of German Jazz. 1992.
  8. Etwa, indem sie Kompositionen von Feather spielte. Ein weiterer Grund war, dass sie den verheirateten Feather „abblitzen“ ließ. Sie war, bevor sie in die USA ging, mit Zoller verlobt. Feather besprach sie nach 1956 nicht mehr und äußerte in seinen Büchern, Horace Silvers Einfluss habe sich negativ auf ihr Spiel ausgewirkt. Katja von Schuttenbach: Jutta Hipp: Painter, Pianist and Poet. Master Thesis, 2006.
  9. Katja von Schuttenbach: Jutta Hipp: Painter, Pianist and Poet. Master Thesis, 2006.
  10. Später arbeitete sie bis 1995 auch als Schneiderin und Textildesignerin auf Long Island. Vgl. Jazzzeitung 2003/5.
  11. Ihre Alkoholprobleme gestand sie in einem Interview 1986 von Iris Timmermann ein, die sie für ihre Examensarbeit interviewte.
  12. Der Bassist Heinz Grah charakterisierte die Musik, die Hipp mit Koller und dann in ihren eigenen Gruppen spielte, als „vercoolten Bebop. Man konnte das Melodiegefüge noch hören. Sie improvisierten sehr schön, aber mit Jazz hatte das eigentlich überhaupt nichts zu tun“. (zit. n. Robert von Zahn, Jazz in Köln seit 1945. Köln 1997, S. 82) Hipps späterem Urteil zufolge drückte sich darin nur der Einfluss von Koller aus. (Zitiert in Schuttenbach Jazzpodium 2006)
  13. Breitwieser: Jutta Hipp. First Lady of German Jazz. 1992, S. 57.
  14. Ratsversammlung vom 18. Mai 2011 (Beschluss-Nr. RBV-822/11), amtliche Bekanntmachung: Leipziger Amtsblatt Nr. 11 vom 4. Juni 2011, bestandskräftig seit dem 5. Juli 2011 bzw. 5. August 2011. Vgl. Leipziger Amtsblatt Nr. 16 vom 10. September 2011.
  15. Die Aufnahmen dieser Blue-Note-Platte, die bisher als japanische Toshiba-CD erhältlich waren, sind alle auch veröffentlicht auf Frankfurt Special: The Legendary Jutta Hipp Quintet 1954 (Fresh Sound Records, 2006)
  16. Ursprünglich erschienen nur 4 dieser Titel auf der EP MGM E 3157; die restlichen Titel wurden 1980 von L+R Records aufgelegt. Die meisten dieser Titel sind nun auch auf Frankfurt Special: The Legendary Jutta Hipp Quintet 1954
  17. Eine EP, zunächst für das mod-Label von Gigi Campi, die CD enthält auch Aufnahmen mit dem H. Koller Quintett ohne Hipp und mit A. Zoller – solo. Die vier Kölner Aufnahmen von Hipp sind alle auf Jazzrealities JR-001 CD Cool Jazz Made in Germany und auf Frankfurt Special: The Legendary Jutta Hipp Quintet 1954 erschienen.
  18. vgl. Jutta Hipp: Lost Tapes: The German Recordings 1952-1955 (2013) bei All About Jazz
  19. Der Aufsatz ist quellenlos und enthält mancherlei Fehler (z. B. dass Hipp in den USA aufgrund ihrer Zusammenarbeit mit Koller bekannt gewesen sei) und androzentrische Wertungen.
Diese Seite wurde zuletzt geändert am 19.01.2019 19:15:53

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